BrauBeviale Newsroom
Kampfansage gegen Wirtshaussterben

Warum schließen in Bayern immer mehr Wirtshäuser und wie können Wirte gegen diesen Prozess sinnvoll ankämpfen? Angela Inselkammer, Präsidentin des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) in München, erklärt im Interview mit der BrauBeviale, was die Gastronomie heute tun muss und wie wichtig dabei Beratung und Getränkevielfalt sind.
Frau Inselkammer, auch im vergangenen Jahr mussten wieder viele bayerische Gaststätten aufgeben. Das Wirtshaussterben hält somit seit Jahren an. Wie dramatisch ist die Situation wirklich und wo liegen die Gründe?
Das ist ein Thema, das uns beim DEHOGA Bayern sehr stark beschäftigt. Insgesamt 500 Gemeinden in Bayern haben inzwischen kein Wirtshaus mehr und seit der Jahrtausendwende haben 3000 Schankwirtschaften geschlossen. Dafür gibt es viele Ursachen. Ein unflexibles Arbeitszeitgesetz, unfaire Wettbewerbsbedingungen vor allem hinsichtlich der Mehrwertsteuer, bürokratische Lasten durch ständig neue Gesetze und Verordnungen sowie unzählige Aufzeichnungspflichten, machen es vor allem kleinen Gastronomiebetrieben nicht einfach…
…ist die Situation nicht auch ein wenig selbst verschuldet?
Nein, es sind viele kleine Stellschrauben, die hier eine Rolle spielen. Man kann als Wirt nicht einmal mehr einem Stammgast ein Bier ausschenken, ohne das dokumentieren zu müssen. Wirte mit geringem Personalbestand können diese ganzen Regularien und die damit verbundenen Zusatzkosten nicht mehr stemmen. Auch erklärt es sich mir nicht, warum ein Wirt, der ein Gericht ausgibt, das im Sitzen genossen wird, mehr Steuern bezahlen muss, als einer, der es auf einem Plastikteller zu Essen im Stehen „serviert“.
Was also ist zu tun?
Ich wünsche mir, dass wir bald eine Kleinunternehmerregelung finden. Je nach Umsatzgröße und Mitarbeiteranzahl sollten kleine Wirtshäuser von einigen Dokumentationspflichten freigestellt werden. Außerdem wäre es gut, künftig eine Evaluierung beim Thema Hygiene vorzunehmen. Auch wäre es Zeit für gleiche Steuern für Essen sowie ein Arbeitszeitgesetz, dass die längst gelebte Realität widerspiegelt.
Vor allem junge Leute empfinden viele traditionelle Lokalitäten heute als verstaubt und unattraktiv. Hat hier die Gastronomie versäumt, mit neuen Konzepten eine zeitgemäße Wirtshauskultur zu schaffen?
Die Gastronomie, wie es sie früher gegeben hat, gibt es heute nicht mehr. Leute kommen nicht mehr ins Wirtshaus um sich zwei Stunden an den Stammtisch zu setzen und sich auszutauschen. Daher müssen wir uns selbstverständlich damit auseinandersetzen, was sich die Gäste heute von einem Wirtshaus wünschen. Vor allem müssen wir darauf reagieren, dass es immer mehr Single-Haushalte gibt.
Was schlagen Sie da vor?
Wir arbeiten momentan an einem neuen Konzept. Ziel soll sein, dass es im Wirtshaus einen großen und entsprechend gekennzeichneten Tisch gibt, wo sich Gäste hinsetzen können, die allein in die Lokalität kommen. Gaststätten sollen wieder Menschen zusammenbringen. Darüber hinaus stellen wir unter www.wirtshauskultur.bayern eine ganze Reihe an Ideen und konkreten Hilfen vor, da ist für jeden Betrieb etwas dabei.
Egal ob beim Bier, bei Fruchtsäften oder Limonaden: Die Getränkevielfalt in Deutschland wächst seit einigen Jahren enorm. Warum scheuen viele Gaststätten den neuen Angebotsreichtum?
Das liegt wohl an der Warenhaltung. Man braucht ein riesiges Lager für viele Produkte und eine gute Orientierung. Wichtiger als Vielfalt ist doch, dass der Wirt hinter den Artikeln im Sortiment steht. Wenn ein Gastronom Freude an Neuerrungen hat, dann ist das gut und er wird das auch verkaufen. Aber wenn er eher traditionell ausgerichtet ist, dann reicht auch eine Sorte Bier. Allerdings müssen Qualität und glaubwürdige Geschichten stimmen. Gäste wollen spüren, was der Wirt vertritt.
Bundesweit sind die meisten Lokalitäten durch strenge Brauereiverträge gebunden. Das stellt für viele Betriebe, die ihr Angebot zeitgemäß verbreitern wollen, ein Problem dar. Sind solche Verträge überhaupt noch zeitgerecht?
Brauereien reißen sich nicht gerade um solche Verträge. In der Regel ist es ja so, dass Wirte die Braustätten als Unterstützung brauchen, damit sie überhaupt zurechtkommen. Aber die Brauunternehmen müssen sich dann auch absichern, indem die Wirte dann eine bestimmte Zeit die Getränke abnehmen. Da befinden wir uns aber gerade in einem Wandel, zumal die großen Münchner Brauereien zu Großkonzernen gehören, die solche Unterstützungen grundsätzlich ablehnen.
Forscher der University of California prognostizieren aktuell, dass sich bedingt durch Klimawandel und Rohstoffknappheit der Bierpreis in den kommenden Jahren weltweit verdoppeln könnte. Welche Auswirkungen hätte ein solches Szenario auf Ihre Branche?
Langfristig gesehen glaube ich nicht, dass das größere Auswirkungen hat. Bier ist eines der wichtigsten Getränke, die ein Wirt braucht und dabei werden die regionalen Brauereien immer bedeutender.
Durch das breite Getränkespektrum ist in der Gastronomie immer mehr Beratung gefragt. Wie wichtig ist geschultes Personal und wie sollten die Mitarbeiter ausgebildet werden?
Geschultes Personal ist elementar wichtig. Wir brauchen in der Gastronomie Mitarbeiter, die wissen was sie tun. Es geht um Essen und Trinken, deswegen haben wir da eine enorme Verantwortung. In der Regel sind die Mitarbeiter geschult. Wir bieten beim DEHOGA Bayern ein großes Weiterbildungsprogramm an, das stark von unseren Mitgliedern angenommen wird. Das zeigt uns, dass die Wirte verstehen, dass sie unbedingt etwas tun müssen.
Dabei bekommt wohl auch das Trendthema „Foodpairing“ - also die geschmackliche Kombination von Getränken und Speisen - einen neuen Stellenwert?
Getränke sind schon immer das tragende Produkt in der Gastronomie und für ein gutes Essen unverzichtbar. Ohne diese Kombination könnten Gasthäuser gar nicht bestehen. Und je mehr das Personal über das jeweilige Getränk, dessen Herkunft sowie Herstellung erzählen und dazu auch noch passende Speisen empfehlen kann, dann ist das eigentlich genau das, was der Gast sich wünscht.
Zum Thema „Zukunftsfähigkeit der Getränkebranche“ bietet die BrauBeviale, internationale Investitionsgütermesse entlang der Prozesskette der Getränkewirtschaft (www.braubeviale.de), vom 13.-15. November 2018 ein umfassendes und inspirierendes Rahmenprogramm. Vorab äußern sich Branchenteilnehmer wie Angela Inselkammer von bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) in unserer Interview-Serie zu diesem Thema.