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28. - 30. November 2023 / Nürnberg, Germany

BrauBeviale Newsroom

Das ganze System ist derzeit auf Kante genäht

Interview
© BV GFGH

Als geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels (BV GFGH) sowie als Vorsitzender des Pro Mehrweg Vereins kämpft Günther Guder derzeit an vielen Fronten. Im Interview mit der BrauBeviale erzählt der Verbandschef, der im vergangenen Jahr mit dem Ehrenpreis der Deutschen Getränkebranche ausgezeichnet wurde,  warum es immer wieder zu Lieferengpässen kommt, welche Rolle Regionalität in der GFGH-Branche spielt und wie der Getränkemarkt der Zukunft aussieht.

Herr Guder, nach aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamtes steigen die Umsätze im Getränkefachgroßhandel und die Branche befindet sich derzeit im leichten Steigflug. Was ist der Grund für diese Entwicklung?

Petrus ist unser bester Verkaufsförderer. Wir haben Sommer seit April, besser kann es für den Absatz gar nicht laufen.

Gleichzeitig stehen Getränkefachmärkte aber unter massivem Preisdruck des Einzelhandels und der Discounter. Wie reagiert der Fachhandel darauf?

Fachgroßhändler versuchen nicht mit den Produkten nach vorne zu gehen, die im Preisfokus des Handels stehen, sondern andere Artikel und Spezialitäten anzubieten. Auch Segmente wie etwa Wein und Spirituosen sind interessant. In ländlichen Regionen übernehmen manche Getränkemärkte sogar wieder die Nahversorgerfunktion mit regionalen Produkten und Spezialitäten wie zum Beispiel Würsten, die als „Knabberartikel“ gut zum Biersortiment passen.

Trotz miserablem Abschneiden der deutschen Fußballnationalmannschaft in Russland kam es in diesem Hitzesommer zu Lieferengpässen bei Leergut sowie Getränken. Haben sich Produzenten verkalkuliert?

Wir haben das Gefühl, dass in den letzten Jahren viele in der Branche individuell ihre Abläufe für sich optimiert haben. Es wurden zum Beispiel Zeitfenster für Abholungen eingeführt, allerdings mit einer sehr unflexiblen Handhabung auf den Herstellerhöfen. Kommt ein Fahrer wegen Stau zu spät muss er sich oft wieder hintenanstellen und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Auch kam und kommt es zu Abfüllengpässen bei manchen Herstellern, sodass zum Teil Wartezeiten zwischen fünf und acht Stunden registriert wurden. Auch hat man auf Getränkefachgroßhandelsseite den Eindruck, dass Leergutmangel oft weniger an höherer Gewalt sondern eher daran liegt, dass zu wenig Leergut angeschafft wurde.

In der Getränkebranche fehlen Auslieferungsfahrer, weil zwei Drittel bereits an Altersgrenzen stoßen und kaum Nachwuchs nachkommt. Wie könnten neue Logistikkonzepte aussehen, mit denen Getränke künftig zu den Kunden kommen?

Ja, es fehlen hierzulande insgesamt rund 45.000 Fahrer über alle Branchen. Das führt dazu, dass letztlich auch der Frachtraum begrenzt ist. Und in der größten Hitzeperiode starteten dieses Jahr auch noch große Lebensmittelketten Aktionen mit Gratiszugaben von Sixpacks im Bierbereich. Das nahm zusätzliche Kapazitäten weg. Kein Wunder also, dass es zur Verknappung einiger Marken kam.

Was ist zu tun?

Wir können viel erreichen, wenn diese ganzen Friktionen entlang der logistischen Kette besprochen werden und so die Gesamtsituation wieder in den Fokus genommen wird. Klar können wir die fehlenden Fahrer nicht auf einmal ersetzen, dafür aber z.B. Wartezeiten auf den Höfen besprechen und reduzieren, gewisse Ausweichmöglichkeiten schaffen und so nicht nur auf Kostenoptimierungen schauen. Momentan ist das gesamte System leider auf Kante genäht. Und der Getränkefachgroßhandel als Mittler zwischen Herstellern und Absatzstätten steht buchstäblich „im Feuer“.

Kunden achten immer mehr auf regionale Produkte. Experten gehen davon aus, dass sich Händler mit Regionalmarken im Angebot und guter Fachkompetenz künftig auf der Überholspur befinden werden. Liegt darin das Geheimnis für langfristigen Erfolg?

Letztendlich schon. Endverbraucher orientieren sich seit einiger Zeit generell stärker an regionalen Produkten, ganz egal ob Fleisch, Bier oder Wasser. Einige unserer Mitglieder haben schon ziemlich früh angefangen auf regionale Spezialitäten zu setzen und sind erfolgreich. Im Prinzip ist das „Regionale“ eine Gegenreaktion auf die ganzen Auswirkungen der Globalisierung. Hinzu kommen interessante Zusatzsegmente im Sortiment wie etwa Craftbiere, aber da muss dann das Personal auch etwas darüber erzählen können.

Also sollte das Personal in Getränkemärkten besser geschult sein?

Auf jeden Fall! In diesem Bereich wurde in den vergangenen Jahren viel investiert. Biersommeliers und Wassersommelier wurden ausgebildet und ganz neu wird es jetzt auch den Fruchtsaftsommelier geben. Es handelt sich um eine andere Herangehensweise an die Vermarktung, nicht nur die Produkte ins Regal stellen und warten, bis sie jemand kauft, sondern eine aktive Beratung des Kunden anstreben und auf seine spezifischen Wünsche und Bedürfnisse eingehen.

Mehrweg soll angeblich umweltschonender sein als Einweg. Dennoch geht der Anteil der Mehrweg Getränkeflaschen in Deutschland zurück. Woran liegt das?

Mehrweg hat eindeutige ökologische Vorteile. Ein großes Problem ist allerdings, dass der Endverbraucher in vielen Fällen, vor allem im alkoholfreien Getränkesegment, gar keine Ahnung hat, was er eigentlich kauft. Denn nur weil Pfand auf das Gebinde zu zahlen ist, ist es bekanntlich nicht gleich Mehrweg. Wir haben aus diesem Grund auch eine eindeutige Kennzeichnung auf der Verpackung gefordert. Dies ist leider nicht Gesetz geworden. Ab dem 1. Januar 2019 sind aber die Absatzstellen verpflichtet „Einweg“ und „Mehrweg“ deutlich zu kennzeichnen. Wir fordern die herstellende Industrie allerdings ergänzend auf, freiwillig auch Mehrwegflaschen mit dem Mehrwegzeichen zu kennzeichnen. So hätte der Endverbraucher dann einen Hinweis, sowohl im Getränkemarkt als auch zu Hause beim Genießen des Produktes.

Wie lässt sich der Kunde von nachhaltigem Packaging überzeugen und wer steht heute in der Verpflichtung diesen Prozess in Richtung Mehrweg anzuschieben?

Wir sehen, dass unsere Kampagne „Mehrweg ist Klimaschutz“ auf große Resonanz stößt und die Kunden vermehrt darauf achten. Ganz aktuell in der Diskussion ist ja auch das Thema Plastikvermeidung vor dem Hintergrund der Vermüllung der Weltmeere. Wir sind auf jeden Fall dabei gefordert auf diese Sensibilität des Endverbrauchers einzugehen und ihn über den positiven Beitrag von Mehrweg zur Lösung des Problems zu informieren. Wir erfüllen diese Verpflichtung seit vielen Jahren mit unserer Kampagne und werden dies in Zukunft noch stärker tun. Letztlich auch deshalb, weil am gesamten Mehrwegsystem in Deutschland rund 150.000 Arbeitskräfte hängen. Da das Verpackungsgesetz eine Mehrwegzielquote von 70 Prozent über alle Getränkesegmente vorsieht, sollten sich allerdings alle Marktbeteiligten bei der Entscheidung über ihren Verpackungsmix an diesem Wert mindestens verbindlich orientieren.

Neue Vertriebswege im Onlinehandel verändern die Getränkebranche. Wie sieht aus ihrer Sicht der Getränkemarkt der Zukunft aus?

Ich glaube nicht, dass alles in Zukunft beständig online bestellt wird. Denken Sie nur an ländliche Räume. Getränkemärkte arbeiten seit einiger Zeit verstärkt daran, neben einem ausgefeilten Sortiment auch attraktive Verkaufsräume zu schaffen, wo die Leute gerne hinkommen. Dabei geht es um Regalgestaltung, Angebotspräsentation und die Lichtverhältnisse im Getränkemarkt. Da tat und tut sich in den letzten Jahren einiges.

Zum Thema „Zukunftsfähigkeit der Getränkebranche“ bietet die BrauBeviale, internationale Investitionsgütermesse entlang der Prozesskette der Getränkewirtschaft  (www.braubeviale.de), vom 13.-15. November 2018 ein umfassendes und inspirierendes Rahmenprogramm. Vorab äußern sich Branchenteilnehmer wie Günther Guder vom Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels  in unserer Interview-Serie zu diesem Thema.

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