BrauBeviale Newsroom
Winzer setzen auf neue Zielgruppenpotentiale

Welches Problem stellt der Klimawandel wirklich für die Weinbranche dar, wie erschließen Winzer neue Zielgruppen und warum sind PET-Flaschen nicht die Verpackung der Zukunft? Prof. Dr. Simone Loose, Institutsleiterin der Wein- und Getränkewirtschaft an der Hochschule Geisenheim, lokalisiert im Interview mit der BrauBeviale, die akuten Herausforderungen der hiesigen Weinbranche.
Frau Loose, deutsche Winzer feiern ihre diesjährige Ernte als eine der besten seit Jahrzehnten. Geht es hierbei ausschließlich um Masse oder stimmt auch die Qualität?
Wir haben dieses Jahr eine Rekordernte, auch nach Qualitätsmaßstäben. Die Temperatur war hervorragend und wir hatten weniger Probleme mit Fäulnis und anderen Pflanzenkrankheiten. Der eigentliche Witterungsprozess war also perfekt. Allerdings tut es weh, dass die Mengenregulierung die Winzer zwingt, gute Trauben hängen zu lassen. Diese Denkweise passt nicht mehr in die Zeit des Klimawandels. In den vergangenen Jahren waren die Ernten schlecht, warum können Winzer dann in diesem Jahr nicht ihre Keller wieder auffüllen?
Junge deutsche Winzer befinden sich angeblich gerade auf der Überholspur und überraschen mit kreativen Ideen und Top-Weinen. Wird die neue Generation künftig die deutsche Weinbranche revolutionieren?
Die deutsche Weinbranche braucht unbedingt so eine neue Szene. Viele Alt-Winzer haben das Problem, keine Nachfolger zu finden. Gerade deswegen ist es toll, dass junge Leute jetzt die Betriebe übernehmen und was Neues machen. Einige verzeichnen bereits wirtschaftliche Erfolge, halten ihre Flächen in Schuss, expandieren und investieren auch in innovative Weine und neue Wege im Marketingbereich, das sehe ich mit großer Freude. Aber von einer Revolution im Weinbereich ist nicht zu sprechen, das ist ein schrittweiser Prozess.
Experten prophezeien den hiesigen Winzern bedingt durch die fortschreitende Klimaerwärmung ein baldiges Rotweinwunder. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Dieser Jahrgang war klimatisch gesehen erstmalig südlicher von Montpellier in Südfrankreich, wo sehr viel Rotwein wächst. In Deutschland schwächt sich die Nachfrage nach Rotwein aber gerade ab. Die weißen Sorten sind stärker nachgefragt.
Aber befürchten klassische Weißweinproduzenten nicht, dass sich die Typologien der Weine durch den Klimawandel verändern? Lässt sich das durch moderne Kellertechnik kompensieren?
Ja, das Problem haben hiesige Winzer schon dieses Jahr. Durch die Wärme verkürzt sich die Erntezeit. Früher ging die Lese von Ende August bis Ende Oktober, heuer war sie in drei Wochen erledigt und die Winzer müssen entsprechende Kapazitäten vorhalten. Durch die hohen Temperaturen reifen die Trauben zu schnell. Und was uns dann fehlt ist die Säure. Dieses Jahr ist es auch in Deutschland genehmigt, dass Winzer Säure zusetzen.
Wird der Klimawandel auch vermehrt zum Anbau südeuropäischer Traubensorten führen und welche der 13 deutschen Weinanbaugebiete werden vom Temperaturwandel am meisten profitieren?
Ja, der berühmte Rote Hand im rheinhessischen Nierstein wird es tendenziell schon zu warm für Riesling, deshalb werden jetzt schon die ersten Pflanzen Sauvignon Blanc angebaut. Unser Institut ist an einem Projekt in Württemberg am Neckar beteiligt, wo es steile gemauerte Terrassen gibt. Dort wird die Sorte Trollinger angebaut, für die keine hohen Preise erzielt werden können. Jetzt suchen wir neue Sorten, die sich für den Anbau bei fortschreitendem Klimawandel eignen und auch vermarkten lassen. Klimawandel steht für Variabilität.
Das heißt?
Extreme und Schwankungen werden größer. Auf ein Jahr mit Hitze und Wassermangel folgt ein nasser Jahrgang mit Fäulnis und dann ein Jahr mit einem viel zu warmen Frühling und zeitigem Austrieb, die bei Spätfrost im April erfrieren. Winzer müssen sich jetzt neuen Herausforderungen stellen. Die Weinbranche bei uns ist kleinstrukturiert und besteht überwiegend aus kleinen Familienbetrieben. Da stellt sich die Frage, ob die Kleinunternehmen größere Investitionen eingehen wollen oder können, um zu bewässern oder neue Reben anzupflanzen. Die Branche muss wirtschaftlicher werden. Aber ganz ohne staatliche Unterstützung werden viele Rebflächen, gerade in Steillagen, aufgegeben werden.
Der Staat bietet doch schon Hilfsprogramme.
Ja, das stimmt. Hoffentlich bleibt das auch so. Hier ist aber eine noch stärkere Differenzierung notwendig, bei der beispielsweise nur die Steillagen gefördert werden, die nur mit der Hand und nicht mit Maschinen bewirtschaftbar sind.
Vor allem junge Leute greifen heute zu Weinen, deren Fokus auf Spaß und Entspannung liegt. Die Sorten sollen sich unkompliziert und leicht präsentieren. Diese sogenannte „neue Frische“ bringt Bewegung in die Branche. Liegt in solchen Weinen wirklich die Zukunft?
Mit solchen Weinen versuchen Winzer neue Zielgruppen zu erschließen, die die Branche auch dringend benötigt. Außerdem ist es doch inzwischen völlig legitim auch Modeerscheinungen im Weinmarkt nachzugehen. Wenn unsere Winzer das nicht machen, dann tun es die Wettbewerber.
Das gilt wohl auch für die Verschlüsse. Immer mehr Weißweine sind mit Schraub- oder Glaskappen versehen. Warum hat sich dieser Trend noch nicht bei hochwertigen Sorten durchgesetzt?
Bei Schraubverschlüssen kommt es auf den Wein an. Wenn es eine Sorte ist, die man schnell trinken will, dann ist so ein Verschluss absolut in Ordnung. Auch spielt das Thema Wiederverschließbarkeit eine Rolle. Abends werden in den zunehmend kleiner werdenden Haushalten keine ganzen Flaschen mehr getrunken. Die Gastronomie setzt ebenso lieber auf Schraubverschlüsse. Mit Kork war es schwer möglich, dem Kunden bei Reklamation nachzuweisen, dass der Wein nicht korkt. Hat man jetzt aber einen guten Rotwein, der lagern und reifen soll, dann eignen sich Schraubverschlüsse nicht, weil sie zu dicht sind. Für die Lagerung benötigt der Wein eine minimale Sauerstoffzufuhr.
Wein wird heutzutage auch nicht mehr allein in der klassischen Bordeaux- oder Burgunderflasche oder im fränkischen Bocksbeutel präsentiert. Immer häufiger verwenden Winzer PET-Flaschen. Werden sich diese künftig auch bei höherwertigen Cru‘s durchsetzen?
PET-Flaschen sind für Wein eigentlich ungeeignet und werden nur verwendet, wenn es sein muss. So etwa im Flugzeug wegen dem Gewicht oder auf Festivals wegen der Glasbruchgefahr. Das größte Problem an PET ist, dass es nicht sauerstoffundurchlässig ist. Wenn darin abgefüllt wird, dann muss zwingend ein Haltbarkeitsdatum draufstehen, was bei Wein eigentlich nicht üblich ist. Der Wein oxidiert zu schnell in dieser Verpackung. Etwas vorteilhafter sind da Tetra Paks. An die muss sich der Konsument aber erst gewöhnen.
Zum Thema „Zukunftsfähigkeit der Getränkebranche“ bietet die BrauBeviale, internationale Investitionsgütermesse entlang der Prozesskette der Getränkewirtschaft (www.braubeviale.de), vom 13.-15. November 2018 ein umfassendes und inspirierendes Rahmenprogramm. Vorab äußern sich Branchenteilnehmer wie Prof. Dr. Simone Loose von der Hochschule Geisenheim in unserer Interview-Serie zu diesem Thema.