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28. - 30. November 2023 / Nürnberg, Germany

BrauBeviale Newsroom

Italienische Charakterbiere nehmen Fahrt auf

Robert Widmann (r) und Lukas Niedermayr (l), Mitorganisator der Beer Craft Bozen Quelle Beer Craft
Interview
Robert Widmann (r), Batzen Bräu, und Lukas Niedermayr (l), Mitorganisator der Beer Craft Bozen // © Beer Craft

Warum setzen Konsumenten im Weinland Italien jetzt verstärkt auf Bier, welche Trends sind in der Craft-Branche abzulesen und wo liegen die größten Hürden für italienische Brauer? Bier-Pionier Robert Widmann, Chef von Batzen Bräu in Bozen, spricht im Interview über den aktuellen Stand der italienischen Bierszene und gibt Ausblicke, wie es in den kommenden Jahren weitergeht.

Herr Widmann, Italien verbinden die meisten Leute eher mit Wein als mit Bier. Jetzt scheint landesweit das Bierfieber ausgebrochen zu sein. Warum setzen italienische Konsumenten immer mehr auf Gersten- und Hopfensäfte?

Robert Widmann: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist Italien kulinarisch ziemlich aufgeschlossen und zum anderen ist die Bereitschaft sich auf neue Genuss-Erlebnisse einzulassen sehr hoch. Schon in den 80er Jahren haben hierzulande die ersten Wirtshausbrauereien als Vorläufer des Biertrends begonnen. Allerdings hatten wir davor beim Bier auch keine besondere Kultur und schon gar keine Geschmacksvielfalt. Die italienische Craft Bier-Bewegung kann man auch als Protestbewegung der Brauer verstehen, die sich ein bisschen als Revoluzzer sehen. Inzwischen zählen wir rund 1.000 kleine Braustätten, dessen durchschnittliche Größe bei etwa 700 Hektolitern liegt.

Neben der Brauereianzahl wächst auch die Sortenvielfalt in Italien. Neben Klassikern wie Dunkel, Wiener Lager und Weißbier brauen Sie im Batzen Bräu auch India Pale Ale, Gose und Barley Wine. Aber welche konkreten Trends beobachten Sie derzeit bei Ihren Konkurrenten in der heimischen Craft-Szene?

Robert Widmann: Nach dem Trend zu extremen Bieren mit wilden Rohstoffkombinationen geht es jetzt eher in Richtung trinkbarer Sude wie etwa Lagerbiere. Diese Entwicklung finde ich ganz fantastisch, weil sie auch demonstriert, dass sich bei uns eine neue, noch vielfältigere Braukultur etabliert und sich italienische Brauer auch an technisch schwierige Bierstile herantrauen.

Mut und Vielfalt sind also enorm wichtig. Aber was müssen Kreativ-Brauer tun, um im schwierigen italienischen Getränkemarkt zu überleben?

Robert Widmann: Man muss sich vor allem von der Konkurrenz abheben und auf jeden Fall eine eigene Gastronomie betreiben. Das größte Problem der Brauer ist, dass sie kein eigenes Brewpub oder kein angeschlossenes Gasthaus besitzen. Dadurch fehlen ihnen nicht nur die Möglichkeiten des Direktverkaufs, sondern auch eine eigene Visitenkarte. Zudem sind Fortbildungen zum Biersommelier oder auch Bierreisen wichtig, um sich besser zu professionalisieren und ständig weiterzuentwickeln.

Welche Rolle spielt dabei für Brauer einen Erlebnisfaktor für Konsumenten zu schaffen?

Robert Widmann: Das ist enorm wichtig. Italiener trinken bewusster, in kleineren Mengen und verlangen hohe Genusserlebnisse. Der pro Kopf Bierkonsum liegt bei nur 30 Litern. Foodpairing ist daher ein ganz großes Thema auch für italienische Brauer. Vielleicht ist das auch eine echte Chance, denn auf diesem Gebiet sind wir auch eine Spur raffinierter, als die Kollegen in manch anderen Ländern.

Wie meinen Sie das?

Robert Widmann: Die italienische Küche ist für ihre einfachen und schmackhaften Gerichte weltweit bekannt. So organisieren Brauer beispielsweise regelmäßig besondere Bier-Tastings in Kombination mit typischen Speisen, Käse oder Schokolade. Zudem werden auch in der Küche viele Speisen mit Bier ausprobiert.

Und was können Events wie die Beer Craft in Bozen oder die CRAFT BEER ITALY in Mailand zur italienischen Bierbranche beitragen?

Robert Widmann: Sehr viel! Solche Veranstaltungen empfinde ich als ganz wichtig für die Branche. Bei der Beer Craft schaffen wir für die Craft-Brauer und ihre Produkte mehr Sichtbarkeit. Sie haben die Möglichkeit ihre Biere zu präsentieren, Feedback einzuholen und aktuelle Probleme diskutieren. Bei der CRAFT BEER ITALY dagegen geht es explizit um Fachwissen und ist daher eine sehr wertvolle Messe. In diesem Jahr war ich dort bei mehreren Vorträgen, die alle auf einem sehr hohen Niveau waren und echtes Wissen vermittelt haben.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der italienischen Craft-Bierbranche in den kommenden fünf Jahren?

Robert Widmann: Pessimisten prophezeien ein Massensterben der kleinen Braustätten, das eigentlich schon längst hätte eintreten sollen. Sie glauben, dass viele Kleinbrauer ihr Geschäft langfristig nicht stemmen können. Ich sehe das anders, ich bin da viel optimistischer. Sicherlich wird der ein oder andere Brauer aufgeben, was völlig normal ist in einer neuen Wachstumsbranche, aber ebenso werden wieder neue spannende Marken mit neuen Ideen den Getränkemarkt bereichern. Wenn sich die Qualität der Biere noch weiter stabilisiert, dann wird sich die Szene definitiv weiterhin positiv entwickeln und die Kreativbrauer erreichen und begeistern immer mehr Leute. Die Zukunft sehe ich in gut gemachten, trinkbaren Bieren mit Charakter.

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